Letzte Woche habt Karin Knobelspies als Stellvertreterin von Oliver Keymis an der Sitzung des Rundfunkrats teilgenommen, bei der es über die seit Monaten heftig diskutierten Änderungen bei WDR 3 ging.
In Absprache mit Oliver hat Karin diese Änderungen abgelehnt. Leider haben das nur noch zwei weitere Rundfunkratsmitglieder getan, so dass die Veränderungen jetzt umgesetzt werden.
Unten folgt Karins Stellungnahme zu dem Tagesordnungspunkt an, den sie in Auszügen bei der Rundfunkratssitzung mündlich vorgetragen hat als Begründung für die Ablehnung der Änderungen.
Stellungnahme TOP 8: Programmänderungen WDR 3 Sitzung des WDR-Rundfunkrats am 30. Mai 2012
Von Karin Knobelspiel
Oliver Keymis, den ich heute vertrete und mit dem diese Erklärung inhaltlich abgestimmt ist, und ich hatten gehofft, dass es heute nicht zu dieser Abstimmung kommen würde.
Ich hatte gehofft, dass die „Veränderungen bei WDR 3“ nach den von der Leitung des Hauses angekündigten öffentlichen Veranstaltungen über die Zukunft des Kulturradios auf der Tagesordnung des Rundfunkrates stehen würden und nicht vorher.Ich hatte gehofft, dass die Leitung des Hauses nach dem rasanten Zuwachs der Proteste und Einwände gegen die geplanten Veränderungen die offene Diskussion mit Hörerinnen, Kulturschaffenden und vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hörfunkwellen aufnimmt, danach Veränderungen entwickelt und dann diesem Gremium zur Entscheidung vorlegt. Es hätte ein sehr spannender und zukunftsweisender Prozess werden können, an dem ich mich unter Wahrung der Programmautonomie des Senders gerne beteiligt hätte, auch weil ich mich freue, dass mein persönliches Leitmedium Hörfunk einmal ein derartiges öffentliches Interesse hervorruft.
Ich hatte gehofft, dass die Leitung des Hauses die weit über 18.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner nicht als Bedrohung und Belästigung empfindet, sondern als engagierte Unterstützer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – denn davon gibt es immer weniger. Und ich rede hier nicht von bestimmten Verlegern und Politikern, sondern von Menschen, die im Zeitalter der fast unbegrenzten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten ihre kommunikativen und informatorischen Bedürfnisse immer weniger vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk befriedigt sehen.
Ich hatte gehofft, dass sich der WDR als eine Organisation, die sich tagtäglich mit den unterschiedlichsten Formen der Kommunikation beschäftigt, konstruktiv mit den über 18.000 Menschen auseinandersetzt, die den Aufruf der Radioretter unterschrieben haben.
Dazu ist es nicht gekommen und dafür gibt es sicherlich viele Gründe. Manche verstehe ich nicht, andere kann ich zumindest nachvollziehen. Auch ich halte bestimmte Äußerungen von einigen Unterstützern der Radioretter sowohl vom Ton als auch vom Inhalt her für nicht richtig, adäquat und zielführend, das trifft allerdings auch auf einige Aussagen von Seiten der WDR-Führung zu.
Meine bisherigen Ausführungen thematisieren meine Kritik an dem Verfahren rund um den Veränderungspläne der Leitung bei WDR 3. Aber natürlich geht es mir vor allem auch um die Inhalte der geplanten Veränderungen, die ich ablehne.
Der wichtigste Grund für meine Ablehnung: Ich erkenne nicht, wohin diese Veränderungen führen sollen. Ich erkenne keine große Linie, ich sehe keine wirklich neuen Konzepte – oder sie sind mir nicht so vermittelt worden, dass ich sie nachvollziehen könnte. Und ich sehe nicht, wie diese Änderungen umgesetzt werden sollen von den WDR 3-Redakteuren – die, wie sich im Laufe der letzten Monate herausgestellt hat, sie mehrheitlich ablehnen, obwohl die Leitung des WDR zu Beginn der Diskussion das Gegenteil behauptet hat.
Paradoxerweise bin ich zumindest partiell sogar einig mit der Leitung des Hauses: Ich erkenne einen großen Reformbedarf des Hauses bei WDR 3, beim Konzept für ein Kulturradio.
Nein, ich wünsche nicht einfach eine Rückkehr zu dem Programm von WDR 3, wie es vor dem Beginn der im Jahr 2001 begonnenen scheibchenweisen „Veränderungen“ war. Manche Unterstützer der Radioretter scheinen dieses schlichte „Zurück“ zu wollen, aber viele von ihnen erkennen wie ich die Notwendigkeit, ein Kulturradio anzupassen an gesellschaftliche, demographische, materielle, kommunikative und viele andere Veränderungen, die unsere Zeit prägen.Viele, und darunter hoffentlich auch viele Redakteure und freie Mitarbeiter, sehen diese Veränderungsnotwendigkeit als Chance und Herausforderung wie zum Beispiel Rüdiger Becker, ein ehemaliger leitender Redakteur bei WDR 3. Sowohl schriftlich in einer Mail an die Vorsitzende des Programmausschusses als auch mündlich in der Diskussionsveranstaltung im Schauspielhaus am 9. Mai hat er Fragen aufgeworfen und Aspekte in die Diskussion eingebracht, die wichtig sind für eine neue, zeitgemäße Definition eines Kulturradios und die daraus resultierenden Konzepte. Ich bin mir sicher, dass es neben den WDR 3- Redakteuren und Freien Mitarbeiter von 1Live und anderen Wellen gibt, die wichtige Impulse für ein modernes Kulturradio liefern könnten, das auch jüngere Hörer (und damit meine ich nicht unbedingt jugendliche) ansprechen könnte.
Von solchen Dingen habe ich von der WDR-Leitung nichts gehört oder gelesen. Und ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass die Leitung des WDR sowohl in der Binnen- als auch in der Außenwahrnehmung die geeignete Institution ist, ab dem nächsten Monat den offenen Austausch über neue Ideen und Konzepte zu initiieren – nicht nach der heutigen Entscheidung.
Stattdessen glaube ich immer stärker, dass die Impulse von Außen kommen müssen und hoffentlich Innen aufgegriffen, weiterentwickelt und ausgestaltet werden – natürlich nicht gegen die festangestellten und freien Mitarbeiter, sondern mit ihnen und ihren Vertretungen, organisiert von einem Hörfunkdirektor, der ja für viele innovative Neuerungen wie zum Beispiel Funkhaus Europa steht. Das wird mit Sicherheit nicht einfach, aber wenn nicht der WDR, welcher Sender soll das sonst tun können? Und es böte die Möglichkeit, neue Formen der Partizipation von Publikum und Mitarbeitern auszuprobieren und zu entwickeln.
Die Reformnotwendigkeit betrifft nicht nur das Kulturradio, sondern viele andere Programmbereiche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Denn eines beweisen die über 18.000 Unterschriften gegen die WDR 3-Veränderungen ganz klar: Da geht es nicht nur um eine Kürzung hier und eine Streichung dort. Hier geht es um ein breites Unbehagen gegenüber dem Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Umgangs mit seinem Publikum. Der WDR kann sich ebenso wie die anderen ARD-Sender und das ZDF jetzt schon darauf einstellen, was im Herbst auf sie zukommt, wenn sich die Proteste gegen die geplante Umstellung von einer Gerätegebühr auf eine Haushaltsabgabe verstärken werden. Wenn dann nicht programmlich und kommunikativ begründet werden kann, warum diese Gesellschaft ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem braucht und will, dann ist der Klickstorm von 18.000 Radioretter ein laues Lüftchen gegen den zu erwartenden Shitstorm, der auf den WDR und die anderen öffentlich-rechtlichen Sender zurollt.
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