Wie ihr wisst, fand heute die seit längerem geplante Sachverständigenanhörung zur geplanten Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (kurz: JMStV) im Landtag Nordrhein-Westfalen statt.
Die komplette Anhörung ist als Videostream noch auf den Seiten des Landtages abrufbar und wird in kürze auch als schriftliches Protokoll veröffentlicht. Wir wollen an dieser Stelle nur auf einige wenige, aber dafür zentrale Punkte eingehen.
Das Internet ist kein Rundfunk – Massive Kritik am JMStV
Viele der ExpertInnen sehen bei der geplanten Novelle weitgehende Konsequenzen und große Gefahren einem relativ geringen Nutzen gegenüberstehen. Um seine Website in Zukunft auch von Computern mit entsprechenden Jugendschutzprogrammen, bspw. in Bibliotheken oder Schulen, abrufbar zu machen, muss jeder Website-Betreiber seine Inhalte klassifizieren – egal ob Eisdiele, Abgeordneter oder Großindustrie. Findet keine Alterskennzeichnung mit entsprechender Einbindung der Altersfreigabe in den Quellcode statt, wird die Website von dem geplanten Jugendschutzprogramm gesperrt. Dies könnte auch Wissensangebote wie die Wikipedia betreffen, die z.B. Informationen zur Sexualaufklärung bereitstellen. Der als Experte geladene Rechtsanwalt Florian Geyer nannte dies einen deutlichen Eingriff in die Informationsfreiheit.
Das System stößt auch schnell an seine Grenzen – die deutliche Kritik an der fehlenden Internationalität konnte keiner der Befürworter entkräften. Prof. Dr. Hannes Federrath von der Universität Regensburg stellte zudem die These auf, dass bei einer verstärkten Vermittlung von Mediekompetenz, bald jeder Jugendliche das Wissen haben wird, die Filter und Sperren zu umgehen.
Unklar blieb auch, ob die geplante Jugendschutzsoftware plattformübergreifend verfügbar sein wird. Auf diverse Nachfragen, ob das Programm auch auf sämtlichen PC-Betriebssystemen (diverse Windows-, Linux- und MacOS- Versionen), mobilen Endgeräten und auch internetfähigen Spielekonsolen lauffähig wäre, konnten die entsprechenden Vertreter keine konkrete Antwort liefern. Trotzdem lobten sie natürlich die geplante Software als gute und funktionierende Lösung, obwohl nach Aussagen des zuständigen Ministers aus Baden-Württemberg eine solche Software erst Mitte 2011 verfügbar sein wird.
Joerg Heidrich vom Heise Verlag merkte in diesem Zuge auch an, dass wahrscheinlich gerade für Jugendliche der PC nicht mehr das primäre Internetzugangsgerät sei. Deshalb müsste das für Anfang 2011 geplante Jugendschutzprogramm für sämtliche Endgeräte verfügbar sein. Bezüglich der praktischen Anwendbarkeit äußerte auch Heidrich vehemente Zweifel. Für Heise nannte er eine Klassifizierung der Benutzerinhalten als „unmöglich“ und befürchtet eine Abwahnwelle Anfang des Jahres.
Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Zensur erneuerte deshalb erneut seine Forderung nach einer vollständigen Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages.
Wie geht es weiter?
Wir als Landesarbeitsgemeinschaft Medien wurden durch die Anhörung in unserer Kritik am Jugendmedienschutz-Staatsvertrag bestärkt. Noch vor der entscheidenden Sitzung des Fachausschusses haben wir eine Sitzung mit den zuständigen Fachpolitikern angesetzt und werden die Anhörung ausführlich auswerten und der Landtagsfraktion eine (unverbindliche) Empfehlung unsererseits aussprechen.
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